Die Welt der Telekommunikation

Der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung belegt: exzessiver Computergebrauch kann sich zu einem ernsten Suchtverhalten entwickeln

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Bad Säckingen (ots) – Wer Manfred W. kennenlernt, käme wohl kaum auf die Idee, dass er mit einer Suchterkrankung zu kämpfen hat: Der erfolgreiche Jurist hat eine eigene Anwaltspraxis, lebt mit seiner Frau und einem Sohn im eigenen Heim. Doch Manfred W. selbst musste eines Tages erkennen, dass ihm hinter seiner seriösen Fassade sein Leben entglitt. Stress und Frustration im Job hatten dazu geführt, dass er sich mehr und mehr ausgebrannt und hoffnungslos fühlte. Statt Hilfe von außen zu suchen, zog er sich zurück – und saß immer länger vor seinem Rechner.

„Zur Entspannung“, wie er selbst glaubte, begann er auf Sex- und Erotikseiten zu surfen. Cybersex wurde zu einer Obsession, die ihm half abzuschalten und für kurze Zeit alle Probleme zu vergessen. Um einen Kick zu erhalten, beschäftigte Manfred W. sich mit immer absonderlicheren Praktiken – und immer weniger mit seiner Familie. Dass dadurch die Beziehung zu Frau und Sohn litt, trieb ihn nur noch tiefer in die Isolation. Erst als der Anwalt auch beruflich einbrach, gestand er sich ein, selbst keinen Ausweg mehr zu finden und suchte professionelle Hilfe.

Für PD Dr. med. Michael Berner, Chefarzt der Bad Säckinger Rhein-Jura Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, ist Manfred W. kein Einzelfall: „Wir Behandler müssen uns mit einem neu entstandenen Suchtverhalten auseinandersetzen: Der pathologischen Nutzung von Computer und Internet. Wer glaubt, es hier nur mit einem Problem weniger Heranwachsender zu tun zu haben, irrt gewaltig“, so Dr. Berner. Viele Menschen, die unter Stress oder schlechter Stimmung litten, fänden schnelle, einfache Bedürfnisbefriedigung am Computer – und kämen von diesem Muster bald nicht mehr los.

Die aktuelle Bestandsaufnahme der Bundesregierung bestätigt, dass es jeden treffen kann: Internetsucht sei kein Problem bestimmter gesellschaftlicher Schichten, vielmehr komme sie in allen sozialen Gruppen vor, heißt es in dem Drogen- und Suchtbericht. Wie hoch die Zahl der Betroffenen ist, können Experten bisher nur schätzen: In der Gruppe der 14- bis 64-Jährigen gelten ca. 560.000 Menschen als internetabhängig, bei ca. 2,5 Mio. Menschen wird eine „problematische Internetnutzung“ vermutet.

Dass man über das Phänomen bisher wenig Konkretes weiß, liegt vor allem daran, dass Online-Sucht noch nicht als eigenständige Erkrankung anerkannt ist. Meist wird die Problematik erst bei der Behandlung anderer psychischer Störungen entdeckt. Das bestätigt auch der Klinikchef Dr. Michael Berner: „Oft kommen die Patienten etwa wegen einer Depression zu uns und wir erfahren erst während der Behandlung von ihrer krankhaften Affinität zum Internet“, berichtet der Psychiater und Psychotherapeut. Dann gehe es darum, den Patienten erst einmal die Augen dafür zu öffnen, wie stark sie sich durch ihre Online-Sucht bereits von der Realität entfernt haben – und wie viel sie dadurch verlieren. „Viele Betroffene verbringen mehr Zeit vor dem Bildschirm als mit ihrer Familie oder Hobbys. Sie müssen erst wieder lernen, auch in der realen Welt Entspannung und Ausgleich zu finden“, so Dr. Berner.

Manfred W. fiel es im Laufe der Behandlung wie Schuppen von den Augen: „Ich hatte völlig vergessen, von was für großartigen Menschen ich in der Realität eigentlich umgeben bin und wie viel sie für mich tun können“, sagt der Jurist heute. Während der Therapie begann er sich wieder für „echte“ Inhalte zu interessieren, verfasste mit Begeisterung Gedichte und Songtexte. „Hilfe ist möglich. Wir können nur jedem Betroffenen – oder dessen Angehörigen – dazu raten, möglichst früh Unterstützung zu suchen. Online-Sucht ist keine Charakterschwäche, sondern ein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild“, so das Fazit von Klinikchef Dr. Michael Berner.

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